Langsam dämmerte die Welt, und
langsam sammelten sich ihre Gedanken wieder.
Keine Schmerzen, merkte sie, aber
irgendwie kam ihr das nicht sonderlich merkwürdig vor. Sie blickte auf ihre
Schulter, sah Narbengewebe, das sich bis zum Hals hochzuziehen schien, alles
schon verheilt, nur grobe, dicke Narben zurücklassend. Serafin wusste, dass
jemand sie magisch geheilt hatte.
Aber irgendwie machte ihr das
nicht allzu viel aus.
„Sie ist wach!“, rief jemand, sie
blickte nach vorne. Sie saß in der Taverne, neben sich ein anderer Verwundeter,
Heiler um sie herum und jener Bote, der schon versucht hatte, zu helfen. Ihr
Prinzesschen war da, und auch jene Heilerin, die ebenfalls den Werwolf sehen
konnte.
Zu spät, wisperte es in ihrem Kopf.
Der Botenläufer, Sairon, war da
und sah ihr in die Augen. „Hey. Wie geht’s?“
Serafin blinzelte, etwas
unschlüssig. „Tut nicht mehr weh.“
Grinste breit. Sairon kniff
misstrauisch die Augen zusammen, als Serafin den Kopf in den Nacken lehnte,
sich umsah. Sich vorsichtig bewegte. „Hui.“, grinste sie. „Tut gar nichts mehr
weh. Ich fühl mich so … so hui!“
Und grinste noch breiter.
Eine der Heilerinnen legte ihr
die Hand auf den Kopf. „Sie hat kein Fieber … aber die Wunden sind geheilt.“
„Ich fühl mich richtig gut.“, grinste
Serafin. „Hey, scheiß magische Heilung, aber mir geht’s … hui!“
„Da stimmt doch was nicht mit
ihr.“, wisperte einer. „Hat sie noch mehr abbekommen?“
„Holt mal einen der Magier her!“
(Sie sah die misstrauischen Blicke der anderen, aber sie grinste, denn
alles fühlte sich so wunderbar an. So HUI)
Der Magier kam.
„Ihr habt die Wunde doch vorher
gesäubert?“
Die Heilerin nickte, schüttelte dann
aber den Kopf. „Naja … wir haben sie ausgewaschen, dann verbunden und geheilt.“
(Serafin dreht den Kopf, hört zufrieden das Knacken in den Gelenken,
während alles in viel stärkeren, kräftigeren Farben leuchtet, und grinst
erneut. Gute Laune. Ganz wunderbare gute Laune.)
„Ja, seid ihr denn von Sinnen!“,
tobte der Magier. „Durch einen Werwolfbiss gelangt doch das Gift in die Adern,
und das müsst ihr vor der Heilung entfernen lassen! Da kommen wir jetzt nicht
mehr ran!“
(Skeptische und etwas ängstliche Blicke treffen auf Serafin, sie grinst
und wundert sich, warum die anderen nicht zurückgrinsen)
Sie ließen sie in der Taverne
zurück, bei den Heilern, während Serafin sich noch umsah, denn draußen wurde
noch immer gekämpft, und andere beobachteten Serafin. Doch als die unsichtbaren
anderen sich zurückzogen, als wieder Ruhe einkehrte im Lager, da stand Serafin
einfach auf und ging hinaus. Einerseits wartete sie darauf, dass jemand sie
aufhalten würde, doch nur Rufe folgten ihr. Sie ging zurück in ihr Lager, zu ihren
Freunden, die dort alle saßen, und grinste ihnen zu, ihr Schwert in der Hand,
das viel leichter geworden zu sein schien. Sie wirbelte es durch die Luft,
staunte über ihre neue Körperbeherrschung und verzog beleidigt das Gesicht, als
sie die misstrauischen und erschrockenen Mienen ihrer Freunde sah.
„Bist du sicher, dass du draußen
herumlaufen solltest?“, fragte Sairon sie, mehrere Schritte Abstand wahrend,
und Serafin grinste. Dehnte ihren Kopf einmal rundherum. Breitete die Arme aus.
„Mir geht’s doch gut!“, antwortete sie enthusiastisch. „Mir
ging‘s noch nie so fantastisch!“
Sie schnüffelte. Die Luft roch
anders. Neu. Bekannt, und doch sind da auf einmal so viel mehr Gerüche als je
zuvor. Sie roch die Freunde, roch den süßen Elfenduft und den Gestank von
Menschenschweiß, roch Blut in der Luft, roch feuchte Erde, die Blumen, die dort
hinten wuchsen, den Duft aus der Taverne, roch Nadelbäume und würziges Gras.
(Und alle weichen von ihr zurück)
„Vielleicht sollte jemand ihr die
Waffen wegnehmen.“, wisperte jene Heilerin, die den Wolf auch sehen konnte
(zu spät, zu spääät, Serafin stand alleine da)
und obwohl sie so leise gewispert
und nicht sehr dicht bei Serafin gestanden hatte, verstand diese das sehr
deutlich.
„Aber mir geht’s doch gut!“, rief
sie erneut, und Eorindiel schüttelte den Kopf.
„Du drehst durch!“, antwortete
sie, mit so fester Stimme wie möglich. „Du verwandelst dich vielleicht gerade
in einen Werwolf, Finn!“
„Aber ich verwandle mich doch gar
nicht! Sind meine Zähne spitzer geworden?“ Wie zum Beweis riss sie den Mund
auf, und zögerlich schüttelte die Elfe den Kopf. „Wachsen mir Haare auf den
Zähnen? Fange ich an, jemanden zu beißen? Will ich auf einmal blutiges Fleisch
essen? Nein!“
Doch sie sah an den Gesichtern
ihrer Freunde, dass es nach deren Meinung keinesfalls so bleiben musste.
Und dann griffen die Eingeborenen
erneut an – und mit ihnen kamen die Werwölfe zurück. Serafin sah ihn, ihren Freund, und lief auf ihn zu, das Schwert
gesenkt, die Arme ausgebreitet, ein breites Grinsen. Die Möglichkeit, von ihnen
angegriffen zu werden, kam ihr gar nicht erst in den Sinn, die Wölfe waren ihre
Freunde, sie rochen so richtig, ihr
eigener Herzschlag schien sich in Einklang mit ihnen zu befinden.
Der Wolf zerfetzte sie nicht.
Schien erst misstrauisch, doch auch Serafins Geruch hatte sich verändert. Er
schnüffelte ausführlich, knurrte erst leise, rieb dann den Kopf an ihrem, und
sie lachte, schnüffelte. Heulte in den Himmel, und er heulte mit ihr.
Die Wölfin packte sie, schob sie
mit sich, und Serafin ging bereitwillig mit ihr. „Serafin!“, schrie Eorindiel, „wo
willst du denn hin?! Jetzt komm zurück!“
Und Serafin grinste. „Aber ich
will nicht. Es sind meine Freunde, Eo.“
Die Elfe hatte Tränen in den
Augen, und früher hätte Serafin das zu allem getrieben. Aber jetzt verstand sie
nicht mehr, wie sie Angst hatte haben können vor ihren Freunden
(Alle waren ihre Freunde!)
und die Elfentränen riefen nur
Unverständnis und Verwunderung in ihr hervor.
„Denk an Aya!“, schrie Eo, so
verzweifelt, dass es Serafin einst das Herz zerrissen hätte. Doch Serafin
drehte sich um und ging, folgte den Wölfen. „Denk doch an Aya! Wenn du sie
wiederfindest, willst du dann, dass sie von dir getötet wird?!“
Serafin blieb tatsächlich stehen
und blickte sich um. Sie dachte nach, und ihr Gedächtnis war nur das ihre.
„Ich vertraue Aya.“, wisperte
sie. „Grenzenlos. Und sie vertraut mir. Ich werde sie nicht in Stücke reißen.
Denn sie wird mir vertrauen, das nicht zu tun.“
Serafin drehte sich um.
Vor ihr stand einer der
Eingeborenen. Einer der Berserker. Er grinste breit, sie grinste zurück,
streckte die Arme aus, in einer Hand ihr geliebtes Schwert, sah noch die
Knochenkette, die um seinen Hals hing, und da zog er bereits seine Klinge über
ihr Bein. Sie schwang bereits ihr Schwert, da drehte er sich schon um und nahm
Reißaus, aber Serafin starrte fasziniert auf die Beinwunde.
„Guck mal!“, rief sie überrascht
der Heilerin zu, die bereits angerannt kam. „Das tut gar nicht weh! Warum hat
der mich angegriffen? Warum macht der sowas Gemeines? Ich hab ihm doch gar
nichts getan!“
„Tja, es sind nun einmal Wilde.“,
gab die Heilerin schulterzuckend zurück, doch ihre Augen verfolgten
schreckensgeweitet, wie Serafin mit dem Finger in ihrer Beinwunde herumpulte
und fasziniert auf ihr eigenes Blut starrte.
„Tut gar nicht weh.“, stellte sie
begeistert fest. Stand auf. Eo vor sich, die bereits mit ihrer Tirade
fortfahren wollte, und schon näherte sich auch wieder der Werwolf, Serafin roch
ihn, grinste noch begeisterter, mit noch mehr Zähnen, und Eo packte sie bei den
Schultern. „Du bleibst hier!“
Eine Antwort blieb Serafin
erspart, denn da erschien der Golem.
Sie konnte ihn nicht sehen,
konnte nur auf Erzählungen und Reaktionen der anderen bauen, aber sie sah, wie
das Gras sich unter dem massiven Gewicht bog, als der Golem direkt neben ihr
entlang ging. Die Elfe sah ihn später, als Serafin ihn bereits gerochen hatte,
und unter einem lauten Schreckensschrei rannte sie davon, in einer
Geschwindigkeit, derer nur Elfen mächtig sein konnten. Serafin grinste. Sie
hatte keine Chance, dem zu folgen, und sie konnte die Elfe auch nicht vor
diesem Wesen beschützen, das sie nicht einmal sehen konnte.
Also brauchte sie gar nicht erst
versuchen, hinterher zu rennen. Also konnte sie den Wölfen folgen.
Sie humpelte zur Taverne, vor der
die Wölfe standen. So, wie die anderen kämpften, stand da auch der
Schattenkrieger, aber es waren die Wölfe, die Serafin vor allem witterte. Innen
drin drängten die anderen sich in den Schutzkreis, das konnte sie sehen, doch
Wölfe und Schattenkrieger waren trotzdem dazu verdammt, vor der Taverne gegen
die Schutzbarriere zu schlagen. Jene Barriere, die Serafin zuvor ebenfalls
hatte übertreten dürfen, weil sie ja nur ein Mensch war.
Sie grinste. Schnüffelte an ihren
Wolfsfreunden, heulte auf, und fragte sich, ob sie diese Barriere wohl immer
noch übertreten konnte. Schwang ihr Schwert.
„Serafin, bleib da draußen!“,
rief Sairon. „Ich mein es ernst!“
Und dieses Misstrauen, dass sie
in den Augen ihrer … Freunde? … sah, diese Angst vor Serafin selbst, das ließ
zum ersten Mal Risse in Serafins Herzem entstehen.
Ihr Grinsen wurde schlecht
gelaunter. Sie trat vor – und keine Barriere schlug sie zurück.
Serafin grinste, und jene, für
die Serafin nur noch ein Monster war, starrten schreckensstarr zurück.
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