Montag, 26. Juli 2010

Mad World

Sommerloch - Ergo hab ich Langeweile, ergo durchstöbere ich die alten Archive von ff.de, um ein paar alte Threads oder Geschichten auszugraben und ein bisschen zu lachen. Ergo bin ich im WTF - Thread unterwegs. Und stoße wieder auf die alten Geschichten: Wie eine Userin zwei Kinder mit einer toten Ente Fußball spielen sah, der sie die Flügel ausgerissen hatten. Wie die Bekannte einer Userin in Japan Urlaub machte und dort im Restaurant das Gehirn eines noch lebenden Affen direkt aus dem Schädel gegessen wurde. Ich kann mich erinnern, erst kürzlich einen Artikel im Spiegel (oder war´s Fokus?) gelesen zu haben, in dem ein deutscher Geschäftsmann trotz Bilderbuchvorsicht in China über den Löffel gezogen wurde, und zwar so dermaßen, dass er jetzt um seine Existenz kämpft, wobei die Chinesen das so routinemäßig durchzogen, dass er kaum eine Chance hatte, irgendetwas tun zu können. Als ich Erdbeeren verkauft habe in der vorletzten Woche, war es ungefähr die Hälfte der Kunden, die sich wie die Krähen auf die frisch gelieferten Stapel stürzten und ihr persönliches Erdbeerkörbchen sicher stellten, ehe sie sich damit beruhigt an die Schlange stellten - oder auch, bevor sie einkaufen gingen, fragten, ob ich denn hundertprozentig sicher sei, dass nachher noch welche da sind, damit sie auch ja welche abkriegen. Bei der Massenpanik in Duisburg - egal, wer Schuld hat, letzten Endes sind Menschen aus Gier und Überzogenheit gestorben. In der Stadt herrscht ein Survivalkampf aller Fahrzeuge, wer als Erstes am Ziel ankommt, ungeachtet aller Verkehrsregeln. Auf dem Weihnachtsmarkt im Dezember und November wird Geld verlangt, damit man sich von Gummipuppen Angst einjagen bzw. durch die Gegend schaukeln kann - Geld, dass so viele anderswo nicht haben. Spaß, den man auch gut woanders bekommen kann. Unser Nachbar macht regelmäßig sein Auto auf unserer Straßenseite sauber, damit der ganze Rost und Schmutz nicht auf seiner Straßenhälfte liegen bleibt, und im Winter schaufelt er den Schnee bei uns über den Zaun.
Eine Userin bei ff.de erzählte von einem ihr bekannten Kind, dass auf der Klassenfahrt mal eine Kröte fand, sie den anderen zeigen wollte und diese die Kröte dann erdolcht haben. Eine andere erzählte von einem kleinen Mädchen, dessen Meerschweinchen ihr von Jugendlichen weggenommen wurde und die dem Tierchen dann alle Haare ausrissen, sodass es blutete. Meine Eltern sind keine bösen Menschen, dennoch unterhalten sie sich bei Weihnachten angeregt darüber, wie schön zart der Rehrücken ist, und mögen zugleich Bambi. Kürzlich habe ich versucht, mit meiner Mutter über das Thema Universum, Urknall und Beginn von allem zu diskutieren, ein meiner Meinung nach sehr faszinierendes Thema, in das ich mich wirklich vertiefen kann. Sie versucht oft, mit mir zu diskutieren, mich in Unterhaltungen zu verstricken, doch bei diesem Thema sagte sie nur: "Ich finde das total unwichtig.". Ich kann es nicht verstehen, denn immerhin verstehen wir so wenig von all dem, was um uns herum vorgeht - wir wissen nicht einmal, wo wir herkamen. Wie kann das unwichtig sein?

Kühe, Hühner und alle anderen Tiere werden zu Tausenden mit so geringen Kosten wie möglich gehalten, damit alle ihren Weihnachtsbraten und das Frühstücksei bekommen. Die Menschen machen sich Gedanken über die armen Kinder in Afrika, aber letzten Endes haben auch die Reichen nicht genug Geld übrig. Wenn doch Geld gespendet wird, kommt es selten da an, wo es wirklich helfen kann. So wenig Menschen, denen man helfen kann, dass es kaum noch einen Sinn zu machen scheint. Nordkorea droht mit Atombomben. China wird zum Wirtschaftsgiganten und absoluten Nr. 1 - Bedrohung in der Zukunft werden, wenn ich mir das Ganze so ansehe. Wer weiß, wie die Situation im Irak ausgeht. Egal, wann, wird es doch wieder zum Weltkrieg kommen. Egal, wann, und wenn es in hundert Jahren sein wird. Der Mensch wird es nicht anders lernen. Der Mensch kann vieles lernen, aber das nicht.

Oder, wie jemand kürzlich als Signatur zur Schau trug:

"Sagt ein Planet zum anderen: ´Homo Sapiens? Hatte ich auch mal. Geht vorbei.`"

Und dann war da noch ...

Mein alter Judotrainer war ein Zwei Meter - Riese mit Halbglatze, der immer zu mir sagte: "Wenn du auf Hundert Kilo zunimmst, bist du meine Freundin.". Seine Methoden waren hart, aber gerecht. Seine Art war humorvoll, aber streng, großzügig, aber ernst. Bei der WM 2006 haben wir uns manchmal in das winzig kleine Büro gequetscht und alle zusammen das Fußballspiel angesehen, anstatt zu trainieren. Er machte sich Sorgen, wenn ich mal nicht zum Training kam. Nach meinem ersten Turnier sprang sein Auto nicht an, und wir mussten ihn alle gesammelt anschieben. Er war ein guter Mensch. Ich hab immer zu ihm aufgesehen, und ich hab ihn fast mehr respektiert als meine eigenen Eltern. Ihm war es egal, wie wir uns anzogen, aber er hat nach dem Training im Winter vor der Tür der Umkleide gestanden und darauf geachtet, dass wir auch alle Mützen aufhaben. Als er einmal sah, dass ich keine trug, fuhr er mich höchstpersönlich nach Hause. Während eines Übungskampfes warf mich meine Gegnerin einmal sehr stark, ohne zu bemerken, wie dicht wir beide an der Wand standen, sodass ich mit Kopf und Schulter volle Kanne gegen die Wand krachte. Für den Rest der Übungsstunde verbot er mir das Training, auch, als ich wieder Luft bekam und behauptete, wieder trainieren zu können, und ließ mich erst gehen, als er sicher gestellt hatte, dass ich auch in Ordnung war. Er tat das nicht nur aus Verantwortung. Er hat wirklich sein Herz in diesen Judoverein gesteckt. Als ich vor ein paar Jahren gehen musste, weil ich einfach keine Zeit mehr für dreimal Training pro Woche hatte, hab ich ihm einen Blumenstrauß zum Abschied geschenkt.

Von einer alten Judokameradin, die ich ab und zu noch treffe, habe ich erfahren, dass dieser Trainer versuchte, seine Frau umzubringen, jetzt mit einem großen Tumor im Kopf in der Kopfklinik (nicht böse gemeint, nur salopp formuliert!) liegt und das Jahr vermutlich nicht schaffen wird.