Dienstag, 13. August 2013

Halbmarathon

Das Ganze ist nun schon ein Weilchen her, und ich in meiner Faulheit hab immer wieder wichtigere Dinge gefunden. Jetzt sitz ich hier, vorlesungsfreie Zeit, mit dem Inhaliergerät im Mund (wäre ich im Mittelalter geboren, ich wär schon im Kleinkindalter an Bronchitis oder Lungenentzündung gestorben, oder auch schon als Baby) und hab Zeit und Muße.

Voilà!

Mein erster Wettkampf, und mein wahrscheinlich schwierigster (bis ich irgendwann mal einen Marathon in Angriff nehme) noch dazu. Übrigens: 23. Platz klingt gut, aber ich war bei den Damen Vorletzte und in der Gesamtwertung Drittletzte. Der Letzte hat etwas mehr als fünf Stunden gebraucht - ich glaube, der ist zwischendurch bei Mäkkes einen Kaffee trinken gegangen. Bei dem Wetter könnte ich ihn verstehen.

Wir hatten am Freitag und am Montag danach Sonnenschein und etwas Wind, Samstag nur etwas bewölkt.Sonntag, am groen Tag, hat der Himmel seine Schleusen geöffnet. Es hat permanent gegossen, es war stürmisch, und es war richtig kalt. Viele sind direkt in kurzen Sportsachen an den Start gegangen, weil sie sich dachten: "Nass werd ich ohnehin, und die Regenklamotte behindert mich nur, also drauf gesch***en."

Ich hatte Regenkleidung an, weil ich von vornherein wusste, dass ich lange brauchen würde. Und selbst, wenn ich nass werde, wird die Regenkleidung mich doch wenigstens vor dem Wind und somit vor dem Auskühlen schützen. Hat sie auch. Sie hat sich zwar so vollgesogen, dass ich anderthalb Stunden mit wassergefüllten Ärmeln gelaufen bin, aber sie hat mich vor Wind und Kälte geschützt. Und das war keine leichte Aufgabe. Und dann hatte ich noch Menstruationsbeschwerden - super Voraussetzungen.

Es hat die ganze Zeit geregnet. Wir sind durch Pfützen gerannt, durch wahre Seen, durch Schlamm (wenn man denn unbedingt den einen Meter an der Ecke einsparen wollte). Die Strecke war schwer - erst geradeaus und leicht bergab, dann allerdings die ganze Zeit hügelaufwärts (ja, Rostock ist hügeliger, als man denken mag ...) mit Gegenwind - ach, was sag ich, Gegensturm! Regen, der von allen Seiten gepeitscht kommt, Sturm, der einen zurückdrängt. Ich habe jedem einzelnen Streckenposten, der mich als einsamen Läufer da jedes Mal anfeuerte, sich meine Runden merkte und für einen einzelnen langsamen Läufer Laolawellen veranstaltete, danken. Bei dem Wetter trotzdem euphorisch anzufeuern - Respekt. Zumal die ja den ganzen Tag dort ausharren mussten, während ich nach zweieinhalb Stunden erst zusammenbrechen und dann in die heiße Badewanne sinken konnte.

Ich hab es nicht geschafft, durchzulaufen. Zum ersten Mal war ich wirklich beim Laufen so am Ende (durch Regen, eine Kondition, die gerade einen schlechten Tag hatte, durch ein absolutes Energietief und keine Chance, dieses aufzufüllen - es gab an den Streckenposten nur einen Cocktail aus stillem Wasser und Regenwasser), dass ich nicht mehr laufen konnte. Ich musste gehen. Die letzten beiden Runden bestanden zu gleichen Teilen aus schnellem Gehen und Laufen. Eine Runde lang begleitete mich ein älterer Herr, der sich nur für das 10 km - Rennen aufwärmte, und ermunterte mich immer weiter. Wir hatten auch zufällig das gleiche Lauftempo. Eine ältere Dame, ein Streckenposten aus vielen jungen Leuten, der Herr, der am Zieleinlauf stand (wir mussten sieben Runden laufen, je eine Runde aus drei Kilometern), eine andere ältere Dame - sie alle waren Streckenposten und sahen deshalb unzählige Gesichter, aber mich merkten sie sich. Zählten meine Runden und ermunterten mich, wenn ich wieder vorbeikam: "Letzte Runde, super!" u.a. Laolawellen, Jubeln. Für einen einzigen Läufer, der nicht einmal besonders nach Läufer aussieht in dunkler Regenjacke und dunkler Regenhose. Das war genial. Bei dem Wetter wirklich ein absoluter Motivationsschub.

Und trotzdem, obwohl ich mir auf den letzten Runden wie der einzige Läufer weit und breit vorkam (die meisten waren ja schon fertig), bin ich nicht die Letzte geworden. Selbst wenn ich die Letzte gewesen wäre, ich hatte trotzdem gesiegt. Über das Wetter, über mich selbst, über eine Strecke, von der selbst der Erste meinte, das sie schwierig gewesen wäre. Bei einem Wettkampf, von dem es im Nachhinein von Bekannten, die auch laufen, hieß, das wäre kein Wettkampf für Anfänger, da würden meist nur die Fortgeschrittenen der Region starten.

Und abgesehen davon: Das Gefühl, danach in die heiße Wanne zu sinken.

Wem das noch nicht als Motivation reicht: Dem Freundeskreis (der sich noch an Schulzeiten erinnern kann, wo ich nicht einmal die tausend Meter im Dauerlauf schaffte, wo ich noch zwanzig Kilo mehr hatte) erzählen, dass man einen Halbmarathon geschafft hat. Vorher kann man vom Lauftraining erzählen und abnehmen, wie man lustig ist - so ein offizieller Laufwettkampf ist eine ganz andere Dimension in den Augen der anderen. Das hat mir einen Respektschub eingebracht, wie ich ihn mit allen Komplimenten über meine Gewichtsabnahme und regelmäßigen Sport nie erhalten habe.