Samstag, 19. Januar 2013

Serafin - Gerüchte aus einem Söldnerleben VI



Eins

Für immer mit ihr sein, das lässt Serafins Körper glühen vor Glück und schraubt ihr ein unverrückbares Glücksgrinsen aufs schmutzige Gesicht. Mit ihr ist alles egal. Mit ihr ist alles wundervoll, und mit ihr wird sie unsterblich sein, mit ihr könnte sie über Dächer laufen, die Augen geschlossen und um sich herum alle Magier der Welt, und trotzdem würde ihr nie etwas zustoßen. Sie würden durch die Nacht schweben und die Sterne über sich, sie würden tanzen wie fallende Blätter, die niemals den Boden berühren. 

Und mit Aya wäre es egal, auf der Flucht zu sein, denn Aya war ihr Zuhause.

Mit ihr würde niemals etwas Schreckliches geschehen, und am Schluss wäre alles wundervoll und erfüllt.



Zwei

Sie schnüffelt die Luft, atmet die Stadt, die Augen huschen umher, wachsam zwischen all den Menschen.

Manchmal fragt Serafin, ob Aya sie wirklich verstehen wird.

Der andere schnüffelt, verwirrt, und schließlich wendet er sich ab von Finn und knurrt sie an, bedrohlich. Zu viel Mensch. Zu wenig Wolf.

Manchmal trifft sie alte Freunde von früher, andere Kämpfer, während sie mit dem Prinzesschen durch die Lande reist, beide auf der Suche. Dann bemerken diese Freunde, dass etwas anders ist mit Finn, und wenn sie es erzählt, dann tritt erst Mitleid ob der riesigen, groben Narbe an ihrem Hals und der Schulter in ihre Augen, und dann Angst und Misstrauen.

Alte Freunde machen es sich zur Gewohnheit, den Mond zu kontrollieren, wenn sie Finn treffen, und Silber bei sich zu tragen. Sie bemerkt so etwas, auch wenn sie alle es zu verstecken suchen. Sie riecht das stinkende Silber und meidet es, weil es schmerzt, wenn sie es berührt. Sie alle sehen sie an mit etwas, dass das Vertrauen von früher verdrängt hat. Zu wenig Mensch. Zu viel Wolf.

Manchmal fragt sich Finn, ob Aya sie tatsächlich ansehen können wird als das, was sie ist. Als Finn. Als Mensch und Wolf gleichermaßen.

Anfangs war sie selbst von grenzenlosem Vertrauen erfüllt, dass Aya sie akzeptieren würde.

Mittlerweile ist auch dieses Vertrauen etwas anderem gewichen.


Drei

Rote Haare. Nein, braune Haare. Schulterlang. Nein, kinnlang. Dieser rote Farbstich, den immer nur Serafin zu sehen schien, niemand anders. Sie mochte Ayas Haare. Sie sind eines der Dinge, die sie noch am klarsten in Erinnerung hat.

Als sie Aya sieht, nach all den Jahren, ist es, als hätte sie sich niemals verändert. Die Haare sind noch genauso wie damals, und ihr  Gesicht ist vertraut wie am ersten Tag. Ayas Gesicht war immer etwas Besonderes in ihren Augen, und selbst jetzt hat sich nichts geändert.

Als sie Aya sieht, nach all den Jahren, da sitzt Aya in einer Postkutsche, die gerade auf die Stadttore zurollt, und Serafin selbst steht inmitten der Marktbesucher, steht inmitten viel zu vieler Leute vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Kutsche von ihr entfernt, und all diese Leute, all diese viel zu vielen Leute stehen in ihrem Weg, als sie sie alle beiseite schubst und stößt, alle Rücksicht vergessen.

Ein Blick zu Aya, und Serafin hat sie sofort erkannt, und ihre Augen trafen sich mit Ayas, als hätten sie beide sich gesucht in der Menge, als hätte Aya sie ebenfalls gesucht. Serafin will das glauben und kann es nicht, weil da noch etwas war.

Nicht das geringste Wiedererkennen in Ayas Augen.

Ihr Blick schweifte über Serafin, als wäre sie eine Fremde. Nur jemand in der Menge. Verharrte kurz auf ihr, weil Finn sie so anstarrte, Unglaube im Gesicht, aber doch nicht das geringste Erkennen. Als wäre Finn eine Fremde. Nicht gespielt, das konnte Aya nie.

Sie hat Finn nicht erkannt, und die Kutsche fährt zum Stadttor, und Finn versucht zu rennen und verflucht die Leute um sich herum, stolpert, weil sie die Kutsche nicht aus den Augen lassen kann, und schreit.

„AYA!“, schreit sie, so laut sie kann. „AYA!“

Aber die Kutsche fährt, verschwindet, und Finn rennt, rennt, rennt aus der Stadt hinaus, bleibt dort stehen, keuchend, und die Kutsche ist verschwunden, und erneut ist Aya fort.

Gefunden und fort.

Fortverloren.

„Aya.“, wispert sie.

Nicht erkannt.