Dienstag, 13. September 2011

Das Haus

Freitag soll eine Abschiedsparty für mich stattfinden, weil ich in absehbarer Zeit in eine andere Stadt ziehe. Organisiert von F.

Und ich bin mittlerweile einfach nur alle Nerven los und will endlich weg hier.

Erst das Desaster, das gar keines war, weil einfach nichts passiert ist, mit Manu am Samstag. Dann all die anderen Kleinigkeiten - Stullen, die wieder mal mit dem Belag nach unten fahren, unentspannte Eltern, die Rote Armee, die wieder anmarschiert kommt, vergessene Geldbörsen, ein Meerschweinchen mit undefiniertem Gesundheitszustand und ein nicht anwesender Tierarzt, eine seitenlange To Do-Liste.

Das Hickhack um eventuelle Übernachtung am Freitag der Gäste begann nun damit, dass meine Mutter (anscheinend nur in unbestätigter Hypothese) sagte, zur Not könnten welche auf unserem sehr weitläufigem Dachboden schlafen.

Es ging damit weiter, dass angefragt wurde, ob wir alle dort schlafen dürften, mittlerweile sind die Nächte ja recht kühl und frisch.

Akt 1: "Nein, um Gottes Willen, das Gelände ist sowieso schon kaputt, die fassen da ja eh alle an, egal, was du sagst, und überhaupt, das hier ist unser Haus, das haben wir uns selbst gebaut, wir wollen hier keine Horde unzivilisierter Jugendlicher herumrennen haben, und überhaupt, das ist viel zu laut, wir wollen auch unsere Ruhe!"
Ich bin doch in einer Woche sowieso weg, dann habt ihr endlich eure langersehnte Ruhe. Endlich rennt hier kein unzivilisierter Jugendlicher mehr herum.

Akt 2: Rückmeldung von F. bzgl. der abgelehnten Möglichkeit einer häuslichen Übernachtung: "Also, die meisten meinten jetzt, dass sie dann nicht kommen wollen. Bleiben nur ca. 6 Leute."
Kommentar meiner Mutter darauf: "Das sind keine richtigen Freunde, die du da hast, die mögen dich alle gar nicht wirklich, die sehen nur, dass wir im Wohlstand leben und sind neidisch auf dich und wollen sich gut mit dir stellen."

Akt 3: Resignation meinerseits. Okay. Es kommen nur sechs. Geht halt nicht anders.
Kommentar meiner Mutter auf Resignation meinerseits: "Hast du eigentlich gar kein Durchsetzungsvermögen, resignier nicht so einfach, versuch doch mal, Kompromisse zu finden, nur weil ich sage, das möchte ich nicht, muss doch ein Kompromiss nicht unmöglich sein, aber nein, du versuchst es ja nicht einmal, kein Wunder, dass du damals die Rammsteintickets nicht gekriegt hattest, da musste dein Vater auch alles allein machen (Stimmt nicht - aber egal.), so schaffst du nie was im Leben, und wenn deine sogenannten Freunde dich doch eh alle nur ausnutzen wollen, was für ne Party soll das dann werden, und überhaupt, ne Überraschungsparty ist das nicht, F. nutzt dich doch auch die ganze Zeit nur aus, die Hälfte musst du ja ganz alleine organisieren."

Danke, liebe, liebe verständnisvolle Mutter. Als Krümel gestorben ist, da hab ich auch absolut gar kein Durchsetzungsvermögen gezeigt, hm? Und meine Freunde, die alle nur mein Geld haben wollen (das ich nicht habe, wohl eher euer Geld mit eurem tollen, riesigen, leeren, dekadenten Haus, wo Sofas mit Kuhfellen bezogen sind?!) und von denen 70 % gar keine Ahnung haben, wo und wie ich überhaupt wohne?

Akt 4: Meinem Vater, der immer der Letzte sein muss, der alles absegnet, ist inzwischen alles egal. "Macht doch, was ihr wollt, aber wenn hier einer die Treppe runterfliegt und sich den Kopf anschlägt, ist das deine Verantwortung." Ich habe nie verlangt, dass ihr dafür gerade stehen sollen würdet.
Meine Mutter versucht zu erklären und endet mit den Worten: "Das verstehst du doch, oder?"

Nein. Nein, ich verstehe das nicht. Ich verstehe es nicht, wie man sich ein riesiges Esszimmer bauen kann, an dessen Tisch man dann verloren geht, wo alle Gespräche versiegen, weil jeder Besucher eingeschüchtert wird. Ich verstehe es nicht, warum man diese dekadenten Teller mit der super unpraktischen Form verwenden muss, wenn jahrelang die normalen gereicht haben. Ich verstehe nicht, warum der schöne, bequeme Sessel auf einmal nicht mehr gut genug ist und durch einen Echtledersessel ersetzt wird (Echtleder!), auf den man sich nicht setzen kann, weil er kalt, unbequem und das Sitzpolster unstabil ist. Ich verstehe nicht, warum man sich einen Tisch kauft, auf dem man wirklich alles sieht, ihn für die Küche verwendet und dann verbietet, irgendwas drauf abzustellen. Ich verstehe es nicht, warum man eine ganze Küche in Weiß halten kann. In kaltem Weiß. Ich verstehe nicht, wie man in diesem Haus jedes Lebenszeichen vernichten kann und selbst Pflanzen akribischer Ordnung unterzieht. Was nicht ins Gesamtbild passt, fliegt raus. Ich verstehe nicht, wie man im Flur ständig die Schuhe in die Ecke hinter der Garderobe fliegen lässt, weil ja sonst alles so unordentlich aussehen würde, egal, wie sorgfältig aufgereiht die Schuhe werden. Unser Flur ist jetzt leer.

Ich verstehe nicht, wie man es ertragen kann, in einem so riesigen Bunker mit abgeschlossenem Tor vor dem Vorhof zu leben und blickdichtem Holzzaun zu allen Seiten, ohne sich abgeschottet und einsam zu fühlen. Ich verstehe nicht, wie man sich ein so riesiges Haus baut, um dann sämtliche Hausarbeit von der Oma erledigen zu lassen.

Ich kapier's einfach nicht.

Ich weiß nur, dass ich dieses Haus manchmal ehrlich hasse.

Und wenn ich mit meinen Eltern auch nur zu einem Viertel so rede wie sie mit mir, dann bin ich das freche, vorlaute, gemeine Balg.

1 Kommentar:

  1. Das ... wäre ein Haus wie geschaffen für einen Thriller.
    Und keines, in dem ich freiwillig leben würde!

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