Dienstag, 2. August 2011

Der Tag, an dem es mit einer Söldnerin zu Ende ging

Serafin hatte ihr Leben mit Geld gelebt.

Es hatte mit Geld begonnen und es endete ohne Geld. Jahrelang war sie die geldgeile Söldnerin gewesen, die ihre Freunde kannten, aber sie hatte niemanden von ihnen jemals verraten. Sie hatte sich vor die kleine Orientalin geworfen, als diese angeschossen worden war, und hatte selbst einen Schuss kassiert. Sie hatte den Orientalen verteidigt vor den Wegelagerern, als er am Rücken getroffen worden war, und war selbst aufgeschlitzt worden. Dafür hatte sie niemals Kupfer verlangt. Sie hatte ihr Leben gelebt. Mal war sie hier unterwegs gewesen, mal da, hatte mal hier geschlafen und mal da. Wie der Wind. Vogelfrei und ungebunden hatte sie mit allem gelebt, was sie hatte, um am Ende nichts übrig haben zu müssen.

Und als sie dalag mit Schmerzen, die ihr die Tränen übers Gesicht strömen ließen, die sie nicht wegwischen oder ignorieren konnte, als sie dalag und alles mit einer Macht auf sie einströmte, dass sie ertrank, da war Serafin alleine.

Sie war nicht wehleidig. Sie konnte es sein, oh ja, aber wenn die Wunden ernst wurden – so ernst, dass selbst sie sich ernsthafte Sorgen zu machen begann – dann wurde sie still, wenn es um die Wunden ging, und lächelte nur umso mehr.

Und das war der Grund, weshalb sie jetzt weinte

(um sich selbst weinte, denn sie spürte, wie sie fror und bibberte an dem warmen Sommerabend und wie dumpf die Geräusche um sie herum und wie verschwommen, wie klar, wie verzerrt ihre Sicht, und wie taub ihre Glieder)

denn Serafin spürte, dass es diesmal wirklich mit ihr zu Ende ging. Und sie wollte, dass die anderen bei ihr waren, sie wollte nicht alleine sterben, sie wollte, dass jemand sich an sie erinnerte, dass es jemanden geben würde, der sie begraben würde und ein wenig trauern. Nur ein wenig.

(Und sie waren doch in der Nähe, die beiden, die ihr am wichtigsten, die Priesterin und der Orientale, sie waren doch gleich dort vorne irgendwo, wo die Menschen lachten und tranken und tanzten, irgendwo dort vorne auf dem Fest, dass die beiden hatten besuchen wollen, während Serafin gegangen war mit den Worten, den verhängniswollen Worten)

„Ich geh mir lieber ein paar marodierende Orks suchen.“


Das hatte sie schon vorher getan. Ein paar Orks suchen, die Langeweile haben, und ein wenig kämpfen. Vielleicht ein paar Landstreicher beim Überfall ertappen und ein Kupfer verdienen.

Aber vorher hatte sie das niemals alleine getan.

(„Echt, deine Frechheit bringt dich eines Tages noch um!“, sagten sie und lachten, und ach, wie recht sie doch hatten, doch damals hat auch Serafin nur gelacht und gegrinst)

Und nun lag sie im Schlamm, weinte, hustete Blut und Schleim, helles, schaumiges Blut, und konnte sich nicht einmal mehr genug bewegen, um noch den Arm zu heben.

Serafin starrte nach vorne in die verzerrte Welt hinter den Bäumen, wo sie Pavillonlichter erkannte.

Oh, God.

Please.


Sie wollte nicht alleine sterben.

1 Kommentar:

  1. Für sich alleine ein kleiner Text über das Ende einer Söldnerin - und obwohl ich als Leser nicht viel über sie weiß, kann ich den Zeilen doch eine ganze Menge entnehmen. Wo andere mehrere Seiten veranschlagen und viel zu viele Worte benützen (vergewaltigen), in dem Besterben, auch ja viel Emotionen in die Szene zu packen, am besten noch mit ordentlich blumigen Metaphern und lyrischen Ausflügen ins Land der Platzhalter, da präsentierst du einen bündigen Text, der dennoch irgendwie trifft …
    Nicht, dass ich in Trauer vergehen möchte, aber ich kann nicht umhin zu gestehen, dass mich das (wahrscheinliche) Ende dieser jungen Dame ein wenig berührt.

    In Hinblick auf deinen letzten Post allerdings, den Beginn eines bestimmten Festivals in einem kleinen Kuhkaff irgendwo in Deutschland und der Frage, ob der verrückte Hutmacher denn nun doch irgendwie hingekommen ist …
    Nun, vielleicht hat das eine nichts mit dem anderen zu tun, aber wo doch innerhalb des Textes einmal kurz die Rede von Verrat war, da liegt der Gedanke nahe.^^‘
    Irgendwie.

    Jedenfalls: schöner Text. Klasse Übertragung auf den Leser, wie ich finde, zumal jetzt Interesse geweckt ist – ich wenigstens wüsste gerne, wie’s denn zu dieser Situation kam und ob’s tatsächlich mit Serafin zu Ende gehen wird.


    Es grüßt
    das Rueken

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