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Dienstag, 13. Oktober 2009

Studienraum

Sie sitzt im Pausenraum, wo sie immer sitzt. Nicht, wo alle rumhängen, nicht auf dem Hof, sonder hier – von ihnen allen nur Studienraum genannt.

In jeder Pause sind sie hier. Die Jungs – drei von ihnen aus ihrer Klasse, die anderen aus den Parallelklassen, zwei von ihnen eine Stufe tiefer – und sie.
Kumpel. Sie haben zusammen gegrillt, sie machen zusammen die Hausaufgaben, sie unterhalten sich über Gott und die Welt. Nicht alle, aber einige von ihnen, schreiben zusammen eine Geschichte. Nichts wirklich Gutes, es ist zu unkoordiniert, zu unübersichtlich – aber sie schreiben zusammen.

Jeden von ihnen mag sie gern. Einen von ihnen kennt sie schon seit der Grundschule. Fabian ist ein Selbstdarsteller, er ist egoistisch und scheint noch mitten in der Pubertät zu sein.

Er rülpst laut, niemand reagiert, nur sie wirft ihm einen angeekelten Blick zu. Er grinst – er ist stolz darauf.

In jedem Fach, das sie zusammen haben, sitzen sie nebeneinander. Wenn es nach ihr ginge, hätte sie sich auch lieber einen anderen Sitznachbarn gesucht, ab und an mal neben Beate oder Freddie. Aber als die Sitzordnung am Schuljahresanfang festgelegt wurde, wollte er neben ihr sitzen. Weil er sonst allein sitzen würde.

Die Jungs unterhalten sich, und dank Fabians Kommentaren gleitet die Unterhaltung in perverse Gebiete ab. Sie hört, wie er Kommentare in ihre Richtung wirft – aber ihr fällt keine passende Erwiderung ein, wie immer. Also sieht sie nur kurz in seine Richtung und streckt ihm die Zunge raus. Ihn zu ignorieren hätte nur zur Folge, dass er sie immer mehr auf sich aufmerksam machen will.

Er macht keinen Hehl daraus, was er von ihr hält – von ihrem Äußeren.

Montag, erste Stunde – Schwedisch. Sie ist immer als Erste da. Er kommt irgendwann später, wenn die meisten eintrudeln. So, wie er immer ist, immer mit den anderen. Niemals allein. Er braucht Bestätigung. Für Selbstständigkeit ist er noch nicht gemacht. Auch, wenn er es immer hinausschreit, es ist ihm nicht egal, was die anderen denken.
„Du siehst komisch heute aus. Vor allem deine Haare.“
Sie zuckt nur mit den Schultern.
Was soll sie darauf antworten?

Vom restlichen Studienraum ist niemand wie er. Sie alle behandeln sie mit Freundlichkeit, wie einen Kumpel, und sie ist dankbar dafür. Sie hält sich gerne hier auf, noch mehr, wenn sie sich in Ruhe mit den anderen unterhalten kann. Sobald er sieht, dass sie sich mit einem von ihnen unterhält, kommt er hinzu, und das Gespräch verläuft im Sande.

Manchmal weiß sie nicht, ob sie lachen oder weinen soll.