Über mich. Und alles, was ich im
Moment so mache, was hier so los ist … sowohl in meinem Leben als auch in diesem
Tagebuch des bunten Chaos.
22 Jahre alt, Studentin im
vierten Semester, Bachelor Agrarwissenschaften. Nach dem Abi hab ich ein Jahr
lang eigentlich nichts gemacht – ich hab den Führerschein gemacht,
Physiknachhilfe genommen, weil ich den wahnwitzigen Entschluss getroffen hatte,
Physik zu studieren, aber wirklich irgendewas gemacht habe ich nicht. Heute ist
es für mich das faulste, das unproduktivste, das am meisten vergeudete Jahr
meines Lebens. Ich war so dick wie sonst nie (Spitzengewicht: 99 kg), ich habe
zuhause gewohnt und nichts zustande gebracht, ich war unglücklich. Dann bin ich
nach Leipzig gegangen – ich wollte raus fürs Studium. Bin ins Studentenwohnheim
eingezogen, ersten „eigenen“ vier Wände, und habe so viel gelernt und mich so
in den Stoff geschmissen wie sonst niemals. Ich habe mit Sport angefangen –
ernsthaft. Ich hatte es satt. Ich wollte es den Leuten zeigen, ich wollte der
Mensch werden, von dem ich immer träumte. Also hatte ich einen Plan fürs
Laufen, erst einmal nur 5 km schaffen. Und ich habe auf null angefangen. Habe
in meinem ganzen Leben viele Sportarten ausprobiert, aber keine so ernsthaft
durchgezogen. Der Umzug markierte den Neuanfang. Ich hörte auf, Süßkram in den
Maßen wie zuvor in mich hineinzuschaufeln, ich beschäftigte mich mit Ernährung,
ich lief. Viermal die Woche lief ich. Und ich kümmerte mich nicht um die
Blicke, ich ignorierte sie, ich drehte in dem kleinen Park meine Runden, ich
lief durch das nächtliche Leipzig, egal, ob es stürmte, ob es regnete, ob es
fror. An einem Abend lief ich bei minus fünfzehn Grad – meine Mütze fror mir an
den Haaren fest, meine Handschuhe froren an den Fingerenden, meine Oberschenkel
waren danach taub. Aber ich lief.
Und nahm ab.
Mein Spitzengewicht kurz vor Leipzig
waren tatsächlich 99 kg. Auf 180 cm. Die 8 hatte ich schon viele Jahre nicht
mehr gesehen, und jetzt wiege ich 85 kg. Mit dem Zielgewicht von 75 kg – aber jeder
weiß ja, je mehr man abnimmt, desto schwerer wird es.
Das Laufen hat mich verändert,
deshalb werde ich niemals mehr damit aufhören.
Das Physikstudium habe ich nicht geschafft
– ich scheiterte an zwei von drei Fächern im ersten Semestern. Nun ja. Ich
wollte es probieren, ich wollte es wenigstens versucht haben, und das hatte
ich. Ich hatte so viel gelernt, wie es mir menschenmöglich war (ein Jahr lang war
die einzige freie Zeit, die ich mir regelmäßig erlaubte, bis auf abends
gelegentlich ausgehen etc., der Samstagvormittag. Ansonsten saß ich entweder
von früh bis spät vor den Aufgaben oder lief). Es hatte trotzdem nicht geklappt.
Das ging mit vielen Tränen und einem miesen Gefühl einher, als ich wieder in
meine Heimatstadt und bei den Eltern einzog – vorläufig, eigentlich, weil ich
mir dann in Ruhe vor Ort eine WG suchen wollte.
Und dann habe ich in meiner
Heimatstadt mit dem Agrarwissenschaften-Studium begonnen. Ich fand keine WG,
niemand wollte mich (und wenn ich schon in der gleichen Stadt umziehe, wollte
ich ja auch gerne in mein Traumviertel). Ich lief und lief meinen ersten
Wettkampf: Den Halbmarathon (da gibt’s nen Extra-Post zu). Ich wurde sportlich.
Ich begann, mit dem Hochschulsport zu liebäugeln, und meldete mich schließlich
zu Beginn des dritten Semesters zugleich für den Kraftraum als auch für das
Drachenbootteam meines Hochschulsports an. Und ich verdammt nochmal liebe
dieses Team, obwohl ich jetzt noch nicht einmal seit einem Jahr dort bin.
Mittlerweile bin ich wirklich ein Sportler. Ich hatte verletzungsbedingte und
krankheitsverursachte Ausfälle (so wie jetzt gerade – Kapselriss im
Fingergrundgelenk. So kann ich schlecht Fahrrad fahren, ich kann damit nicht
paddeln, ich kann damit eigentlich nur Laufen – aber ich nehme es als
Erholungspause).
Mein sonst normaler Wochenablauf
bzgl. Sport: Ca. vier Tage (manchmal öfter, manchmal weniger so wie jetzt
gerade) in der Woche mit dem Fahrrad zur Uni. Eine Strecke sind sechs
Kilometer, insgesamt also zwölf Kilometer, der Hinweg geht fast nur bergauf und
ich komme stark durchgeschwitzt an, pack mir aber meist Wechselkleidung ein.
Dann Paddeln: Dreimal die Woche. Dazu meistens einmal die Woche Fitnesstraining
vom Drachenboot, dazu einmal die Woche anderthalb Stunden Krafttraining. Und
man sieht es mir an. Was ich in letzter Zeit für Komplimente gekriegt habe …
und nach Leipzig hatte ich auch meine erste Beziehung. Nach Beginn beim
Drachenboot dann den zweiten. Beide Beziehungen beinhalteten das volle
Programm, beide hielten nur ein paar Wochen. Beim ersten Mal machte ich
Schluss, beim zweiten Mal er. Aber eigentlich komm ich gerne alleine zurecht.
Ich mag es nicht, mich nach anderen richten zu müssen, wenn sie es von mir
verlangen, oder gar auf andere angewiesen zu sein – was in die typische Rolle
der Freundin ja meistens gehört. Dass man auch die typische Frau ist. Man hat
nicht stark zu sein. Oder tough. Das hat der Mann zu sein. Man soll sich
gefälligst helfen lassen. Baumstämme heben ist nicht cool. Weiblicher Hulk sein
ist nicht cool – und als solcher wurde ich schon bezeichnet. Klar, ich bin eher
der „Flach wie ein Brett“-Typ, aber hab noch bei weitem genug Fett dabei, um
genau das Gegenteil eines Bodybuilders zu sein. Und trotzdem – wenn eine Frau
stark ist, dann sind die Männer unsicher. Dann ist sie ein Kumpel – aber als
Freundin, ne, zu groß.
Anyway. Einer der Gründe, warum
ich mein Drachenbootteam so liebe, abgesehen davon, dass ich den Sport
unglaublich liebe. Dort bring ich Leistung und sie sind begeistert davon. Dort
heißt es in der Frauenumkleide (man kriegt beim Paddeln durch die Muskeln
unglaublich dicke Oberarme): „Ich trag trotzdem ärmellose Kleider, ich steh zu
meinen Muskeln.“ Und nochmal: Das sind nicht die Bodybuildertyp-Muskeln!
Sondern schöne, normale, gut definierte Arme. Jedenfalls, das sind alles
Sportler, das Team ist das Beste, was ich mir vorstellen kann. Und dort bekommt
man Respekt und Anerkennung für die Kraft.
Und ich liebe dieses Team.
Ich muss für mein Studium zwölf
Wochen Praktikum in einem landwirtschaftlichen Betrieb vorweisen, habe deshalb
im letzten Winter schon vier Wochen auf einem Milchviehbetrieb gearbeitet, viel
gelernt (werde aber später garantiert nicht auf einem Betrieb arbeiten, eher
Richtung Umweltschutz – Naturschutz – Agrarpolitik), und die restlichen acht
Wochen verbringe ich diesen Sommer in Norwegen auf einem wunderschönen Bauernhof
in der Mitte von Nirgendwo. Ein so kleiner und alternativer Bio-Öko-Bauernhof,
dass ich anfangs noch zweifelte, ob die Uni mir das als Praktikum genehmigen
würde, aber die sagte nur: „Joah, passt schon. Machen Sie mal.“
Na dann!